Christoph Blochers fauler Steuerzauber
Im Kanton Zürich halten die Regierenden nichts von Transparanze in Steuersachen. Christoph Blocher kommt dies zupass. In Herrliberg hat er seine Steuerdaten sperren lassen. Ein Blick in seine alten Steuerausweise beweist: Es gibt gute Gründe für die Heimlichtuerei.
(wa) Die Antwort, die der über die SVP-Finanzierung recherchierende Zürcher AL-Gemeinderat Niklaus Scherr vom Steuerkomissär der Zürichseegemeinde Herrliberg erhalten hat, war kurz und bündig. Herr Blocher hat seine Steuerdaten gesperrt. Wir bitten Sie deshalb, das Formular Gesuch um Ausstellung eines Steuerausweises bei Datensperre auszufüllen und zu retournieren. Wir möchten Sie darauf hinweisen, dass es einfacher wäre, die Steuerdaten von Herr Blocher direkt zu verlangen".
Bonzen schützen Bonzen
Ein weiser Rat. Denn eine Aufhebung der Datensperre kann nur durchsetzen, wer ein konkretes Kreditschutzbedürfnis" hat, wie der stellvertretende Chef des kantonalen Steueramts, Marco Bottani, dem Vorwärts gegenüber erklärte. So will es das seit dem 1. Januar 1999 rechtskräftige Steuergesetz des Kantons Zürich. In der Gesetzesnovelle hat die in Zürich herrschende SVP-FdP-Koalition - neben satten Steuergeschenken für Hausbesitzer und Unternehmer und höheren Abgaben für RentnerInnen und Alleinerziehende - einen Paragraphen eingefügt, der die Öffentlichkeit des Steuerregisters dort aufhebt, wo es für die Öffentlichkeit interessant wird. Mit dem saloppen Hinweis, dass die Bestimmungen des kantonalen Datenschutzgesetzes (...) vorbehalten" bleiben, wurde den Reichen und Superreichen die Möglichkeit gegeben, ihre finanziellen Verhältnisse zu verbergen. So kommt es, dass der Schuldeintreiber jederzeit Auskunft über die Bonität seines Schuldners erhalten kann, die dicken Fische aber ihre Zahlungsmoral dem Staat gegenüber nicht dokumentieren müssen.
Dass die Regierenden im Kanton Zürich wenig von Transparenz in Steuersachen halten, zeigt die vom Regierungsrat erlassene Verordnung zum neuen Steuergesetz. Für eine Auskunft aus dem Steuerregister muss die Gemeinde neuerdings eine Gebühr von 30 bis 300 Franken erheben. Wahrlich wackere Beträge für das Aufschreiben von zwei Zahlen. Wer also das in den letzten vier Jahren versteuerte Reineinkommen und Reinvermögen eines Bürgers von Meilen - dem früheren Wohnsitz des Herrn Blocher - einsehen will, zahlt dank der regierungsräglichen Verordnung für die auf einem A5-Zettel beantwortete Anfrage flotte 160 Franken (4 mal 40 Franken). Früher zahlte man für das Gleiche 15 bis 20 Franken.
Schweizer Steuerkultur
Gar nicht glüchlich über solche Regelungen dürfte das Bundesgericht sein. Im Urteil zu einer Staatsrechtlichen Beschwerde des heutigen LdU-Nationalratskandidaten Ludwig A. Minelli vom 15. Mai 1998 haben die Lausanner Richter mit starken Worten die unter altem Recht auch im Kanton Zürich geltende volle Öffentlichkeit des Steuerregisters verteidigt (Minelli wollte seine Steuerdaten schon vor der Inkraftsetzung des neuen Steuergesetzes sperren lassen). In einer demokratischen Gesellschaft bestehe ein öffentliches Interesse" an der Transparenz der Steuerverhältnisse". Diese Transparenz sei Element schweizerischer Steuerkultur" mit einer nicht zu unterschätzenden präventiven Wirkung" gegen die Steuerhinterziehung".
Von dieser helvetischen Kultur und dieser Demokratievorstellung hält der sonst als Urschweizer auftretende Christoph Blocher wenig. Möglich, dass er auf Anfrage Angaben über seine Steuerverhältnisse machen würde, wie es der Herrliberger Steuerkomissär in seinem Schreiben an Niggi Scherr suggeriert. Die Kontrolle über seine Steuerdaten hat sich Christoph Blocher jedoch mit seiner unmittelbar nach Inkrafttreten des neuen Steuergesetzes in Herrliberg angemeldeten Datensperre gesichert.
Da die Familie Blocher erst im November 1998 nach Herrliberg umgezogen ist, gibt es heute noch die Möglichkeit, am früheren Wohnsitz des Zürcher SVP-Präsidenten - in Meilen - alte Steuerdaten abzurufen. Und deshalb weiss man, dass das dem Fiskus angegebene Reineinkommen der Familie Blocher zwischen 1994 und 1997 um die Millionengrenze pendelte und das Reinvermögen im gleichen Zeitraum von 804 Millionen Franken (1994) auf 1,18 Milliarden Franken (1997) stieg.
Steuerschlupflöcher
Das sagt uns schon einiges. Bemerkenswert ist der lausige Ertrag, den Christoph Blocher aus seinem formidablen Vermögen erwirtschaftet (das Einkommen beträgt weniger als 1 Promille des Vermögens). Bemerkenswert ist auch, dass jemand mit einem Einkommen von einer Million Franken sein Vermögen innert vier Jahren um 370 Millionen Franken erhöhen konnte. An der Steuermoral des Herrn Blocher zu zweifeln beginnt jedoch erst, wer aus einschlägigen Publikationen weiss, dass der Mann bis 1998 Verwaltungsratsmitglied von Martin Ebners Pharma Vision" war. Diese Pharma Vision zahlt nämlich die mit Abstand höchsten Honorare an die Mitglieder ihres Verwaltungsrates: 1994 waren es 1,4 Millionen, 1995 2,2 Millionen, 1996 1,3 Millionen und 1997 gar satte 6,4 Millionen Franken. Wo also, fragt der Steuerkomissär, ist dieses Geld geblieben? Welches Steuerschlupfloch erlaubt es Christoph B., seine Batzen am Fiskus vorbeizumanövrieren?
Die Visionen des Herrn Ebner pflegen ihre Gewinne nicht auszuschütten, sondern zu reinvestieren. In den Geschäften des BZ-Bankiers ist es im übrigen Usus, dass der Bonus bei gutem Geschäftsgang nicht in echtem Geld, sondern in Aktien ausbezahlt wird. So umgeht man die Einkommenssteuer. Ähnlich muss es mit Christoph Blochers Geschäften vor sich gehen. Blocher hat seine Aktiven in der Zuger Beteiligungsfirma Emesta Holding" deponiert, deren alleiniger Besitzer er ist. Steigt der Wert der Beteiligungen der Emesta, so erhöht sich Blochers Vermögen. Einkommenssteuern für die Familie Blocher fallen deshalb noch nicht an.
Wie weit bei diesen Jonglierereien alles mit rechten Dingen zugeht, bleibe dahingestellt. Tatsache bleibt: Der Blocher wurde zum Milliardär, ohne für seinen Vermögenszuwachs Einkommenssteuern zu bezahlen. Das mag rechtmässig sein. Die Mär vom wackeren Unternehmer, der den Staatshaushalt eifrig alimentiert, ist im Falle Blocher jedoch wirklich eine Mär.